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Profil / Illegales Glücksspiel: Die WKStA jagt das „Phantom“ aus Wels

Symbolbilder Online Casino – Glücksspielgerät / Glücksspiel, Bild © Steve Buissinne auf Pixabay (Ausschnitte)

Antikorruptionsjäger sind einer mutmaßlich kriminellen Glücksspiel-Gruppierung mit besten Kontakten in die Politik auf der Spur. Die Ermittlungen biegen in die entscheidende Phase ein. Akten zeigen, wie gefinkelt der Kopf der Gruppe die Fäden gezogen haben dürfte – und wie er nebenbei Corona-Hilfen einstreifte.

Das Leben als Clan-Chef dürfte, zumindest in Österreich, weitaus angenehmer sein als gemeinhin angenommen. Ein 66-jähriger Oberösterreicher wird von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) verdächtigt, seit über einem Jahrzehnt der Kopf einer Gruppierung zu sein, die ihr Geld mit illegalem Glücksspiel erwirtschaftet haben soll. Er liefert sich aber kein Versteckspiel mit den Sicherheitsbehörden, sondern der Hauptverdächtige S. führt bisher ein unbehelligtes und schönes Leben.

S. fuhr laut Ermittlungsakten einen Mercedes-Geländewagen im Wert von über 150.000 Euro mit einer Speziallackierung („Diamantweiß“) und lebt in einem stattlichen Anwesen unweit von Wels, samt Swimmingpool im Garten. Er hat einen Twitter-Account, öffentliche Profile auf Facebook und der Karriereplattform LinkedIn, betreibt einen WordPressblog und bezeichnet sich dort als „erfolgreicher Unternehmer“, der im „Software“-Bereich tätig sei.

Das ist zwar nicht unrichtig, damit lässt S. allerdings ein entscheidendes Detail weg: Sein Unternehmen programmiert Glücksspiel-Software, die – nach den Erkenntnissen von Finanzpolizei und Bundeskriminalamt – auf Automaten zum Einsatz kommt, für die es keine Konzessionen gibt.

Vor etwas mehr als zwei Jahren ging das Bundeskriminalamt (BK) mit einer Großrazzia gegen die Gruppierung vor, dann ermittelte die Welser Staatsanwaltschaft – und weil sich der Fall auswuchs, ist jetzt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) am Zug. Den 16 Beschuldigten wird eine ganze Palette an Vergehen vorgeworfen von gefährlicher Drohung, Urkundenfälschung, schwerem Betrug, Bestechung, Abgabenhinterziehung, betrügerischer Krida bis hin zum Vorwurf, einer kriminellen Organisation anzugehören (profil berichtete ausführlich).

profil liegt nun ein über 1000-seitiges Gutachten des renommierten Sachverständigen und Wirtschaftsforensikers Matthias Kopetzky vor. Der Gutachter sezierte die Buchhaltungen jener Unternehmen, die der Gruppe zugerechnet werden. Laut Kopetzky schickte die Gruppe etwa einige ihrer Unternehmen ganz absichtlich in Konkurs und prellte damit das Finanzamt und die Gesundheitskasse um Millionen. Auch sonst wusste man den Sozialstaat abzugreifen: Die Hintermänner bezogen nebenbei auch noch AMS-Förderungen aus der Corona-Kurzarbeit.

Verschleierte Führungsstruktur

In ihrer Hochphase soll die Gruppierung bis zu 55 konzessionslose Glücksspiellokale betrieben haben – und gut 100 Mitarbeiter beschäftigt haben, teils angemeldet, teils schwarz bezahlt. Die Salons wurden von ausländischen Firmen verwaltet, mit denen der Hauptbeschuldigte offiziell freilich nichts zu tun hatte. Die Unternehmen wurden laut Gutachter stattdessen von „Strohgeschäftsführern“ geführt, die teilweise nicht einmal in Österreich lebten, kein Deutsch sprachen und keinerlei Einblick in die Buchhaltung hatten – bezahlt wurden die Schein-Chefs laut Ermittlungsakt auf Honorarbasis: Für jede Unterschrift auf offiziellen Firmendokumenten sollen sie 400 Euro bekommen haben. Der Gutachter schreibt davon, dass die Unternehmen unter der „Kontrolle einer ‚übergeordneten Ebene‘ gestanden“ wären. Damit ist der Hauptbeschuldigte gemeint: Auch wenn dieser die Öffentlichkeit als Privatperson kaum scheute, soll er seine Spuren in seinem Glücksspielimperium dafür verschleiert haben. Zahlreiche ehemalige Mitstreiter behaupteten über S. in ihren Aussagen, er sei der „Kopf der gesamten kriminellen Organisation. Er scheint nirgendwo auf und trifft sämtliche Entscheidungen und seine Bauernopfer folgen ihm.“

Oder: „S. war eher so ein Phantom. Die meisten haben ihn nicht gekannt“, sagt einer seiner Strohgeschäftsführer über ihn. „Er wollte nie in Verbindung gebracht werden mit den (…) Lokalen und hat sich immer im Hintergrund gehalten.“ Für den Fall, dass ihm doch jemand auf die Schliche kommt und seine Strohmänner kalte Füße bekommen, hat der Capo ebenfalls vorgesorgt, berichten die Strohgeschäftsführer. Jeder Mitarbeiter soll Blankoerklärungen unterzeichnet haben, wonach „alle von mir vor Behörden getätigten Aussagen nicht der Wahrheit entsprechen“ und „nach meinem Wissensstand das Unternehmen keine rechtswidrigen Handlungen gesetzt hat“.

Obwohl S. formal für die Unternehmen nicht zuständig war, spielte er sich dann und wann doch gern als Chef auf, wie eine Ex-Mitarbeiterin der Gruppe erzählt: „Ich war einmal zu Ostern in seinem Büro. Damals hat mich seine Sekretärin angerufen und mir gesagt, ich soll rüberkommen, weil der Herr S. einen Osterhasen für mich hat.“ Jeden Dienstagvormittag ab neun Uhr soll die zweite Reihe der Gruppierung im Büro von S. zur Befehlsausgabe angetanzt sein. Für jeden von ihnen war eine Dreiviertelstunde reserviert, offenbar sollte nur einer alles wissen: S.

Bestens organisiert

Die Gruppierung war auf alle Eventualitäten vorbereitet. In einer Chatgruppe namens „Finanz“ tauschten sie sich über anstehende Kontrollen der Behörden aus, offenbar verfügten sie über Insiderinfos (auch in diese Richtung wird ermittelt). Immer wenn die Finanzpolizei die konzessionslosen Automaten aus einem der Lokale beschlagnahmte, karrten Techniker der Gruppe mit Lkw neue Geräte an.

Anwälte beeinspruchten jede Verwaltungsstrafe, und wenn ein Verfahren doch verloren ging, soll es Abmachungen gegeben haben, dass den Geschäftsführern die Strafen ersetzt werden – es soll auch einen Mann gegeben haben, dessen Job es war, regelmäßig für die Gruppe einzusitzen. Einen Automatensalon filzte die Finanz insgesamt sieben Mal, eine behördliche Sisyphusarbeit, die erst durch den Großschlag des Bundeskriminalamts sein vorläufiges Ende fand.

Das Problem von S.: Seine langjährige Assistentin sagte gegen ihn aus. Der Gutachter dazu:

„Die tatsächliche faktische Geschäftsführung (…) hatte im Gesamtkontext der Unternehmen der (…) Gruppe und aus betriebswirtschaftlicher Sicht meinem Eindruck nach S. [Abkürzung durch profil, Anm.] inne. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass mittels Strohgeschäftsführern die tatsächlichen Weisungsketten – nur dürftig – verschleiert wurden.“

Allerdings, so der Gutachter:

„Der Name S. kommt nicht auf vorliegenden Dokumenten der untersuchten Unternehmen vor. S. hatte keine erkennbare formelle Funktion (…), wird aber von unteren Führungszirkeln (…) „spiritus rector“ und eigentlicher, durchaus sich über eine Vielzahl an Meetings ins Tagesgeschäft einbringender faktischer Geschäftsführer bezeichnet, was mir als Betriebswirt in Ansehung notwendiger betrieblicher Anweisungsstrukturen (…) durchaus nachvollziehbar und vor allem für die straffe Führung dieses ‚Glücksspielkonzerns‘ unabdingbar erscheint.“

Das Firmengeflecht

Konzern trifft es: Die Gruppe soll sich zahlreicher Firmen bedient haben, um das Geld aus illegalem Automatenspiel reinzuwaschen und in die Verfügungsgewalt von S. zu bringen. Und das ging so: Offiziell war der angebliche Kopf der Gruppe nur Geschäftsführer – später einfacher Mitarbeiter – einer Glücksspiel-Softwarefirma, die wiederum im Eigentum seiner Privatstiftung stand. Die Gelder aus dem illegalen Spiel sollen von der Betreiberfirma der Automaten an das Softwareunternehmen geflossen sein, verbucht als Lizenzzahlungen und IT-Dienstleistungen für die Glücksspiele. Die Softwarefirma reichte die Gelder im Wege von Gewinnausschüttungen an die Stiftung weiter (siehe Grafik).

Das Programmieren von Glücksspielen selbst ist nicht strafbar – und so lautet auch die Verteidigungsstrategie des Hauptbeschuldigten:

„Ich bin Erfinder der Marke [der Spielautomaten, Anm.], aber nicht der Entscheidungsträger im Hintergrund. Ich bin bei der [Softwarefirma] beschäftigt, und wir stellen eben Software zur Verfügung. Das, was ich produziere, ist legal.“

Und:

„Wir haben für Kunden – das sind Automatenaufsteller – die Automaten bereitgestellt und sie mit unserer Software ausgestattet.“ Der Betrieb der Automaten sei „deren Geschäft“ gewesen, „damit wollten wir auch nie etwas zu tun haben“.

Konkursmasse und Corona-Hilfen

Ob er doch etwas damit zu tun hatte, wird – im Falle einer Anklage – ein Richter entscheiden müssen.

„Eine endgültige Beurteilung bzw. rechtliche Würdigung der aufgezeigten Umstände obliegt dem Gericht und steht dem Buchsachverständigen nicht zu“,

schreibt der Gutachter.

Das Gutachten beschäftigt sich auch mit der Frage, ob die Hintermänner Teile ihres Firmennetzwerks absichtlich in den Konkurs trieben – und davor das verbliebene Firmenvermögen zur Seite schafften, um es der Masseverwaltung zu entziehen. Der Gutachter prüfte die Unterlagen von vier, teils bereits in Abwicklung befindlicher Unternehmen und fand starke Hinweise dafür. Der Sachverständige schreibt etwa zu einer Personalleasingfirma, in der die Gruppe sämtliche ihrer Mitarbeiter beschäftigt haben soll:

„Die Zahlungseinstellung an Öffentliche Kassen … resultierte unserem Eindruck nach – die letztendliche Würdigung obliegt dem Gericht – nicht aus dem Mangel an liquiden Mitteln, sondern eher aus dem Unwillen, die Verbindlichkeiten auszugleichen.“

Aus Sicht der Finanzpolizei wurde das Unternehmen hauptsächlich zur „Abgreifung“ des Beschäftigungsbonus und der Corona-Kurzarbeitsförderung gegründet.

Während das Unternehmen Rückstände von knapp 680.000 Euro bei Finanzamt und Gesundheitskasse nicht mehr bedienen konnte, wurden Firmen der Gruppe sechsstellige „Gutschriften“ gewährt. Am selben Tag, als der mutmaßliche Scheingeschäftsführer dem Landesgericht Wels im Insolvenzverfahren erklärte, dass das Unternehmen „über keinerlei Vermögen verfügt“, wurde noch ein sechsstelliger Eurobetrag vom Bankkonto behoben. Der Gutachter konnte dafür keinen Nachweis zur „betrieblichen Verwendung“ finden. Zumindest er sieht damit die Tatbestände des schweren Betrugs und der betrügerischen Krida erfüllt.

Ähnlich sollen S. und seine Gefolgsleute auch anderswo verfahren sein. Sozialversicherung, AMS und Finanz sollen in einem Zeitraum von etwa zehn Jahren 14 Millionen Euro vorenthalten worden sein. Darunter entfällt ein großer Teil auf die Glücksspielabgabe, die auch für konzessionsloses Spiel fällig wird. Laut Gutachter hatte die Gruppe nie vor, diese Abgabe zu bedienen.

Das mutmaßlich hinterzogene Geld dürfte den Hintermännern ein schönes Leben beschert haben. Zeugen berichten von Villen im Kosovo und Nordmazedonien und von Motorbooten. Die Nummer zwei der Truppe kurvte laut Akt mit einem Nobelschlitten der Marke Bentley (Preis: 200.000 Euro aufwärts) herum. Und die Assistentin des angeblichen Anführers verdiente knapp 7000 Euro brutto im Monat. Kein schlechtes Salär für einen Bürojob.

Schwarzgeld?

Ein Mitstreiter der Gruppe wurde observiert, wie er mit leerer Sporttasche vor einem Büro auftaucht und mit voller Ladung wieder abrauscht. Die Gruppe  soll ihre Gewinne vor der Finanz geringer dargestellt haben, als sie tatsächlich waren.

Beste Politkontakte

Sollte sich der Verdacht von BK und WKStA erhärten, bleibt die Frage, wie dieses illegale Spiel so lange weiterlaufen konnte. Eine Antwort könnte das gute Netzwerk der Gruppierung sein, das bis in die Polizei hineinreichen soll – und in die Politik. S. ist bekennender FPÖ-Fan und hat im schwarz-blau regierten Bundesland einige hochrangige Freunde.

Oberösterreich war bis 2011 eines jener „Verbotsländer“, die kleines Glücksspiel untersagten. Schon damals florierte das illegale Spiel, wie aus dem Landtagsbeschluss hervorgeht, mit dem das Verbot gekippt wurde:

„Offenbar werden in Oberösterreich Glücksspielautomaten in einem unkontrollierten Rahmen und unter Verletzung des landesgesetzlich bestehenden Verbots des kleinen Glücksspiels betrieben.“

Die Lizenz ging 2012 an drei Unternehmen, eines davon Admiral, das zum Novomatic-Konzern gehört. Die neuen Player am Markt hatten ein finanzielles Interesse daran, dass die illegale Konkurrenz verschwindet. In den Ermittlungsakten zeigt sich, wie das Umfeld der Novomatic viele Ressourcen einsetzte, um gegen die alteingesessenen, konzessionslosen Anbieter vorzugehen. Gert Schmidt, der das Portal spieler-info und eine Privatdetektei betreibt, ließ die Aktivitäten der Gruppe überwachen und schickte seine Erkenntnisse regelmäßig an die Behörden – sie haben das Verfahren zum Teil ins Rollen gebracht. (Schmidt wurde der Öffentlichkeit im Zuge der Ibiza-Affäre bekannt, weil er Zeugen für Informationen bezahlt haben soll, die im Prozess gegen den Videomacher Julian Hessenthaler aussagten.)

Der Hauptbeschuldigte S. wies in der Vergangenheit jede Schuld von sich. profil ist sein voller Name bekannt, da er aber keine öffentlich relevante Person ist, gilt für ihn der Persönlichkeitsschutz. Bei den Automaten habe es sich um „Geschicklichkeitsspiele“ gehandelt, beteuerte S., dafür ließ er auch eigene Gutachten anfertigen – die Finanz und die Kriminalpolizei sehen das freilich anders, ein ausführliches Gutachten im Ermittlungsakt klassifiziert die Games der Gruppe als Glücksspiele. Ein früheres Ermittlungsverfahren gegen S. wurde vor Jahren eingestellt. Eine aktuelle profil-Anfrage zu seiner Rolle und den kridaträchtigen Vorwürfen beantwortete sein Anwalt nicht, zum Gutachten werde „zu gegebener Zeit“ Stellung bezogen. Für S. und die anderen Beschuldigten gilt ausnahmslos die Unschuldsvermutung.

Seit der Razzia des Kriminalamts im Sommer vor zwei Jahren heißt es für die Gruppe allerdings: Rien ne va plus. Das Geschäft wurde eingestellt. Ihr langjähriger Anwalt darf durch einen Beschluss der Rechtsanwaltskammer seinen Beruf derzeit nicht mehr ausüben – so etwas passiert üblicherweise nur nach einem schweren Verstoß gegen die Standesregeln.

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