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Österreichs Glücksspielgesetz ist EU-konform!

Österreichs Glücksspielgesetz ist EU-konform!Illegale Glücksspielanbieter versuchen immer wieder mit Hilfe von Halbwahrheiten, juristischen Vernebelungen und zeitgewinnender Rechtsmittel das Ende der illegalen Glücksspiel-Angebote hinauszuzögern.


[[image1]]Obwohl in den letzten 18 Monaten ca. 3.500 illegale Geldspielgeräte österreichweit eingezogen wurden, sind noch immer etwa 2000 in Betrieb und verleiten Tag für Tag tausende ahnungslose Spieler, ihr Geld ohne Kontrolle und Schutz vor Betrug, Geldwäsche und Steuerhinterziehung in die Kassen der illegalen Glücksspielbetreiber zu versenken.

Spieler-Info.at ersuchte die renommierte Rechtsanwaltskanzlei Böhmdorfer-Schender um eine ausführliche Expertise, welche auch den zuständigen Behörden übermittelt wurde.

RA Dr. Dieter Böhmdorfer führt dazu aus:

EXPERTISE

Spieler-Info.at – Rechtslage zu § 168 StGB – EU Recht
Aktenzeichen: 48/2012

1. Fragestellung

Zu prüfen ist, inwieweit  die Judikatur des EuGH zum Glückspielrecht, insbesondere das Urteil in der Rechtssache „Engelmann“ (AZ C – 64/08) Auswirkungen auf die An-wendbarkeit des § 168 StGB hat.

2. Ausgangslage

Das Glückspiel, insbesondere die Voraussetzungen, unter denen es unter dem Aspekt des Spielerschutzes und der  Sucht- und Kriminalitätsbekämpfung angeboten und ver-anstaltet werden kann, ist in den einzelnen Mitgliedstaaten der EU unterschiedlich geregelt. Mangels eines EU-weiten Regelungswerkes sind die Staaten aber verpflichtet, für einen mit Blick auf die im Rahmen des Primärrechtes garantierten Grundfreiheiten unionsrechtskonformen Zustand Sorge zu tragen. Innerstaatliches Recht, welches die Grundfreiheiten verletzt – in Betracht kommen hier vor allem die Niederlassungsfreiheit nach Art 43 EG (jetzt 49 AEUV) sowie der freie Dienstleistungsverkehr nach Art 49 EG (jetzt 56 AEUV), darf demnach nicht angewendet werden. Zu den Grenzen zulässiger Beschränkungen hat der EuGH in seiner Judikatur verschiedentlich Stellung genommen, darunter in den  Urteilen „Engelmann“ vom 9. September 2010 und „Dickinger/Ömer“ vom 15. September 2011 in Beantwortung von Vorabentscheidungsersuchen österreichischer Gerichte. An die Auslegung des Primärrechtes durch den EuGH sind die nationalen Gerichte gebunden.

3. Rechtslage in Österreich

3.1. Die Glückspielmaterie ist im – mehrfach novellierten – Glückspielgesetz 1989, BGBl 1989/206 (GSpG) geregelt. Der Regelungsbereich des GSpG umfasst (nur) jene Glück-spiele, welche der (mit § 168 Abs 1 StGB identen) Definition des § 1 Abs 1 leg cit entsprechen. Danach ist  ein Glückspiel jedes „Spiel, bei dem die Entscheidung über das Spielergebnis ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängt“. Dieses Spiel gilt gem § 2 Abs 1 GSpG dann als „Ausspielung“ iSd GSpG, wenn es „ein Unternehmer veranstaltet, organisiert, anbietet oder zugänglich macht“ und für die Teilnahme ein vermögenswerter Einsatz zu leisten ist, für den wieder eine vermögenswerte Leistung – nämlich ein Gewinn – in Aussicht gestellt wird.

§ 3 GG statuiert das Glückspielmonopol des Bundes: „Das Recht zur Durchführung von Glückspielen ist, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt wird, dem Bund vorbehalten (Glückspielmonopol)“.

Tatsächlich wird der Bund jedoch nicht als Glückspielanbieter tätig, vielmehr über-trägt der Bundesminister für Finanzen das Recht zur Durchführung bzw zum Betrieb bestimmter Glücksspiele durch Erteilung einer Konzession an Private. Die Mindestanforderungen für den Erwerb einer Konzession für die Dauer von längstens 15 Jahren sind in § 21 GSpG angeführt, darunter (in der zum Zeitpunkt des Verfahrens geltenden Fassung) das Erfordernis, dass der Konzessionswerber in der Rechtsform einer AG auftreten muss, die ihren Sitz in Österreich hat und über ein Grundkapital von mindestens 22 Mio EUR verfügt. Die Vergabe und Verlängerung der Konzessionen erfolgte (ohne Ausschreibung) an die Osterreichische Lotterien GmbH (für die einzige Ausspielungskonzession gem § 14 GSpG) bzw an die Casinos Austria AG (für alle 12 Spielbankenkonzessionen gem § 21 GSpG). 

3.2. Bestimmte Verletzungen der Vorschriften des Glückspielgesetzes sind als Verwaltungsübertretungen im Verwaltungsstrafverfahren zu ahnden (§ 52 GSpG), die Grundstrafdrohung des gerichtlich strafbaren „Vergehens des Glückspiels“ aber findet sich in § 168 StGB.

Dieses Delikt begeht, wer „ein Spiel, bei dem Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen oder das ausdrücklich verboten ist, veranstaltet oder eine zur Abhaltung eines solchen Spieles veranstaltete Zusammenkunft fördert, um aus dieser Veranstaltung oder Zusammenkunft sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, es sei denn, dass bloß zu gemeinnützigen Zwecken oder bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge gespielt wird“ (§ 168 Abs 1). Abs 2 sanktioniert in gleicher Weise die gewerbsmäßige Beteiligung an einem solchen Spiel.

3.3. Mit dem Beitritt Österreichs zur EU (1995) wuchs die schon zuvor gelegentlich in der Literatur geübte Kritik  vor allem am staatlichen Glückspielmonopol, nunmehr unter dem Gesichtspunkt der durch den EG-Vertrag garantierten Grundfreiheiten. In der  Judikatur des Europäischen Gerichtshofes wurde eine Reihe von Kriterien zur Lösung der Frage herausgearbeitet, wie weit  Beschränkungen der Niederlassungs- und  Dienstleistungsfreiheit durch die nationalen Reglementierungen des Glückspielwesens gehen dürfen.

In jüngster Zeit wurde der EuGH zur Problematik des Glückspielgesetzes in Verbin-dung mit der Anwendung des § 168 StGB auch mit Vorabentscheidungsersuchen österreichischer Strafgerichte  befasst. In den Ersuchen der Landesgerichte Linz als Beru-fungsgericht (in der Rechtssache Engelmann) und  Ried im Innkreis, ebenfalls als Berufungsgericht (Langer) sowie der Erstinstanzgerichte BG Ried im Innkreis (Formato ua) und BG Linz (Dickinger und Ömer) ging es um die Auslegung der Art. 43 und 49 EG. In der Rechtsache Engelmann entschied der EuGH mit Urteil vom 9. September 2010 (Rs C-64/08) und in der Rechtsache Dickinger/Ömer mit Urteil vom 15.September 2011 (Rs. C-347/09), die beiden übrigen Ersuchen wurden im Hinblick auf das Urteil Engelmann zurückgezogen.

4. Urteil Engelmann

4.1. Dem Urteil in der Rs Engelmann lag der Sachverhalt zugrunde, dass der deutsche Staatsangehörige  Engelmann zwischen 2004 und 2006 in Österreich Spielcasinos betrieben hatte, ohne sich bei den österreichischen Behörden um eine Konzession nach dem GSpG beworben zu haben. Im Zuge des Rechtsmittelverfahrens gegen den erstin-stanzlichen Schuldspruch nach § 168 StGB wurde vom Berufungsgericht das Vorabentscheidungsverfahren zu folgenden Fragen eingeleitet:

„a.) Ist Artikel 43 EGV dahingehend auszulegen, dass er einer Vorschrift entgegensteht, welche für den Betrieb von Glücksspielen in Spielbanken ausschließlich Gesellschaften in der Gesell-schaftsform der Aktiengesellschaft mit Sitz im Territorium dieses Mitgliedstaates, sohin die Gründung oder den Erwerb einer in diesem Mitgliedstaat gelegenen Kapitalgesellschaft vorschreibt?

b.) Sind die Artikel 43 und 49 EGV dahingehend auszulegen, dass sie in einem innerstaatlichen Monopol auf bestimmte Glücksspiele, wie zum Beispiel Glücksspiele in Spielbanken, entgegen-stehen, wenn es in dem betreffenden Mitgliedstaat insgesamt an einer kohärenten und systema-tischen Politik zur Beschränkung des Glücksspiels fehlt, weil die innerstaatlich konzessionierten Veranstalter zur Teilnahme an Glücksspielen – wie staatlichen Sportwetten und Lotterien – ermuntern und hiefür werben (Fernsehen, Zeitungen, Zeitschriften), wobei die Werbung sogar dahingeht, dass zeitlich kurz vor der Lottoziehung eine Barablöse für einen Wettschein angeboten wird („TOI TOi TOI-Glaub’ ans Glück“)?

c.) Sind die Artikel 43 und 49 EGV dahingehend auszulegen, dass sie einer Vorschrift entgegen-stehen, wonach sämtliche der in einem nationalen Glücksspielrecht vorgesehenen Konzessionen für Glücksspiele und Spielbanken über einen Zeitraum von 15 Jahren auf der Grundlage einer Regelung erteilt werden, welche (nicht diesem Mitgliedstaat angehörige) Mitbewerber des Gemeinschaftsraumes von der Ausschreibung ausgeschlossen haben?“

4.2. In seinem Urteil hielt der EuGH dazu fest:

4.2.1. „Art. 43 EG ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die den Betrieb von Glücksspielen in Spielbanken ausschließlich Wirtschaftsteilnehmern mit Sitz im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats vorbehält.

Das Transparenzgebot, das sich aus den Art. 43 EG und 49 EG sowie dem Gleichbehandlungsgrundsatz und dem Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit ergibt, steht einer Vergabe sämtlicher Konzessionen für den Betrieb von Spielbanken im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, die ohne Ausschreibung erfolgt, entgegen.“

4.2.2. In der Begründung wird mehrfach darauf hingewiesen, dass an sich klare Beschränkun-gen der Niederlassungsfreiheit und/oder der Freiheit des Dienstleistungsverkehrs im Rahmen der im EG-Vertrag ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmeregelungen zulässig oder aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein können. In Betracht kommen insb die Ziele des Verbraucherschutzes, der Betrugsvorbeugung, der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen und der Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen.

So stelle zwar die Bedingung, dass der Spielbankbetreiber in Form einer AG  auftrete, eine Beschränkung iSv Art 43 EG dar, die Frage aber, ob diese im vorliegenden Fall mit Blick auf die behaupteten Ziele eine Rechtfertigung im Rahmen einer Ausnahmeregelung des EG-Vertrages oder eines von der Rechtsprechung des EuGH anerkannten zwingenden Grundes des Allgemeininteresses darstelle sowie gegebenenfalls, ob dieses Erfordernis den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt, könne mangels zusätzlicher Angaben nicht vom Gerichtshof, sondern müsse von den nationalen Gerichten beurteilt werden.

4.2.3. Das Erfordernis des inländischen Sitzes allerdings und damit der kategorische Ausschluss von Wirtschaftsteilnehmern, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat haben sei auch im Vergleich zum erklärten Ziel einer effizienten Kontrolle zur Vorbeugung einer Ausnutzung zu kriminellen  oder betrügerischen Zwecken unverhältnismäßig, weil er über das hinausgehe, was zur Bekämpfung von Kriminalität erforderlich sei.

4.2.4. Dagegen seien  die Begrenzung der Zahl von Spielbanken und die Dauer der Konzessi-onen, beides Beschränkungen der in Art 43 und 49 EG garantierten Freiheiten, gerechtfertigt und nicht unverhältnismäßig.

4.2.5. Schließlich stelle  die ohne jede Transparenz erfolgte Vergabe einer Konzession an einen Wirtschaftsteilnehmer, der in dem Mitgliedstaat niedergelassen ist, dem der öffentliche Auftraggeber zugehört, eine Diskriminierung auf Grund der Staatsangehörigkeit dar, die nach den Art 43 EG und 49 EG verboten sei, sofern sie nicht aus objektiven Gründen gerechtfertigt sei, was indes im Fall Engelmann vom EuGHG verneint wurde.

4.3. Die EuGH Entscheidung Engelmann wurde in Österreich unterschiedlich  interpretiert. In der Literatur überwog die Ansicht, der EuGH habe die Unionsrechtswidrigkeit der Konzessionsregelungen des österreichischen GSpG für Spielbanken (und damit per analogiam auch für die Ausspielungskonzession, für die  nahezu idente Vergabekriterien gelten) und der daran anknüpfenden Strafbestimmungen klargestellt. Da mit dem Unionsrecht unvereinbare nationale Bestimmungen auch nicht vorübergehend weiter angewendet werden könnten, dürften daher bis zu einer unionsrechtskonformen Bereinigung des GSpG durch den österreichischen Gesetzgeber Glücksspielanbieter aus anderen EU-Mitgliedstaaten aufgrund der Unanwendbarkeit der betreffenden unionsrechtswidrigen nationalen Bestimmungen wegen ihrer Tätigkeit nicht bestraft werden. Eine Gegenposition nahmen das Justiz- und das Finanzministerium ein, die in einer gemeinsamen Stellungnahme zum Engelmann-Urteil die Auffassung vertraten, dass nur die tatsächlich mit dem Unionsrecht nicht in Einklang stehenden Bestimmungen unabwendbar seien, dass aber die unionsrechtliche Unvereinbarkeit einer von mehreren Konzessionsbedingungen nicht vom Erfüllen der übrigen im Glücksspielgesetz normierten Min-destanforderungen an einen Spielbankbetreiber befreie und daher ungeachtet der Unionsrechtswidrigkeit eines Teilaspektes der Regelung die für einen Schuldspruch nach § 168 StGB erforderliche „rechtsgutbezogene Pflichtwidrigkeit“ gegeben sein könne.

In der Folge bestätigte das Landesgericht Linz in der Rechtsache Engelmann den erstinstanzlichen Schuldspruch und stützte sich zur Begründung auf die beinahe wörtlich wiedergegebene Argumentation der ministeriellen Stellungnahme.

4.4. In der Strafsache Formato dagegen fällte das Bezirksgericht Ried im  Innkreis – bei gleichgelagertem Sachverhalt – einen Freispruch, der von der Staatsanwaltschaft dagegen erhobenen Berufung wurde vom Landesgericht Ried im Innkreis keine Folge gege-ben. In seiner Begründung verwies dieses Berufungsgericht auf ein Rechtsgutachten Dris Lewisch, der unter Kritik der erwähnten Stellungnahme zum Ergebnis kam, dass § 168 StGB nicht angewendet werden dürfe. Das Berufungsgericht setzte sich zwar mit den kontroversiellen Meinungen (der Stellungnahme und des Gutachtens) substantiell nicht auseinander, gelangte aber zum Schluss, dass das Gutachten überzeugender und deshalb der Freispruch begründet sei.

5. Gemeinsame Stellungnahme des Justiz- und Finanzministeriums
(GZ BMJ-S145.017/0002-IV 3/2010)

5.1. Nach einem Hinweis auf die Novellierung des GSpG im Sommer 2010 (womit die vom EuGH kritisierte mangelnde Transparenz der Konzessionsvergabe behoben und das Er-fordernis des inländischen Sitzes des Konzessionswerbers gestrichen wurde) wird hervorgehoben, dass das Urteil Engelmann sowohl ein nationales Konzessionssystem als auch die Begrenzung der zu vergebenden Konzessionen ebenso wie die Konzessions-vergabe für die Dauer von 15 Jahren als zulässige Beschränkungen der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit angesehen hat.

5.2. Das inländische Sitzerfordernis sei nur eine von mehreren  in § 21 GSpG normierten Mindestanforderungen für die Erlangung einer Berechtigung zum Betrieb einer Spiel-bank (gewesen); die Feststellung seiner Unvereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht befreie nicht von der Erfüllung der übrigen diskriminierungsfreien Mindestanforderungen wie Rechtsform einer AG mit einem einbezahlten Grundkapital von 22 Mio EUR, Nachweis der rechtmäßigen Mittelherkunft, Bestellung eines fachlich geeigneten Geschäftsleiters, gegen den kein gewerberechtlicher Ausschließungsgrund vorliegt, Gewährleistung der Einhaltung der Spielerschutz- und Geldwäschevorbeugebestimmungen des GSpG uam.

5.3. Der Schutzzweck des § 168 StGB sei vielschichtig, vor allem Spielerschutz gegen Ver-mögensschädigung durch auch kriminelle Ausbeutung der Spielleidenschaft, Eindämmung der Spielsuchtgefahr und Verhinderung der Abwanderung des Glückspiels in die Illegalität. § 168 Abs 1 StGB sei entgegen der Annahme des vorlegenden Gerichtes auch nicht verwaltungsakzessorisch ausgestaltet, weshalb auch ein mit Spielbankkonzession ausgestattetes Unternehmen tatbestandsmäßig handle, nicht aber rechtswidrig, weil sein Handeln aufgrund der Konzession erlaubt (gerechtfertigt) sei.

5.4. Die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens ergebe sich formal aus dem Vergleich mit den rechtlichen Verhaltensnormen, in materieller Hinsicht sei sie rechtsgutbezogene Pflichtwidrigkeit. Gerade diese manifestiere sich darin, dass ein Spielbankbetreiber, welcher die im GSpG vorgesehenen Voraussetzungen – abgesehen von den durch den EuGH als europarechtswidrig angesehenen – nicht erfüllt und rechtfertige eine Strafbarkeit nach § 168 Abs 1 StGB.

6. Rechtsgutachten Dris Lewisch vom 4. November 2010

6.1. Nach Lewisch stehen Glückspielrecht und Glückspielstrafrecht in einem direkten sachlichen Bezug. Während das Glückspielrecht  (unter anderem) die Voraussetzungen für die rechtmäßige glückspielrechtliche Betätigung enthalte, enthalte das Sanktionenrecht die zugehörenden Strafnormen. Das Glückspielstrafrecht knüpfe daher an die materiellen Sachregeln an und stelle deren Verletzung unter Strafe. Da das Kriminalstrafrecht die schwersten glückspielrechtlichen Verstöße unter strafgerichtliche Sanktion stelle, schlage eine EU-Rechtswidrigkeit der Regeln des Glückspielrechts auf das entsprechende Sanktionenrecht durch. Die Straflosigkeit des „konzessionierten“ Glückspiels ergebe sich nur in einer Gesamtschau des umfassenden strafrechtlichen Glückspielverbots (des § 168 Abs 1 StGB) mit den verwaltungsrechtlichen Erlaubnissätzen (Konzessionen), welche strafrechtlich als Rechtfertigungsgrund wirksam werden. Weil strafrechtliches Unrecht iSd § 168 StGB daher letztlich nur derjenige verwirkliche, dessen glückspielmäßige Betätigung nicht von einem einschlägigen Erlaubnissatz gedeckt ist, nimmt Lewisch eine materielle Verwaltungsakzessorietät an: Der Umfang der Strafbarkeit bestimme sich „innerhalb  (?)  der Tatbestandsgrenzen des verwaltungsrechtlich (konzessionsrechtlich) Erlaubten. Strafrechtliche Rechtfertigung besteht gerade in den Grenzen aufrechter glückspielrechtlicher Konzessionen. Es bleibt daher – auch und gerade im Lichte der materiellen Verwaltungsakzessorietät des österreichischen Glückspielstrafrechts – dabei, dass eine etwaige EU-Rechtswidrigkeit des österreichischen Glückspielrechts auch auf das Glückspielstrafrecht durchschlägt.“

6.2. Die vom EuGH in der Rechtssache Engelmann konstatierte EU-Rechtswidrigkeit, die nach Ansicht des Gutachters den Kern des österreichischen glückspielrechtlichen Marktzugangsrechts betrifft, habe nun zur Folge, dass auch das sanktionsrechtliche Rechtsdurchsetzungsregime infolge seiner Verzahnung mit den zugehörigen Marktzu-gangsregeln unmittelbar von der festgestellten EU-Rechtswidrigkeit betroffen und da-mit unanwendbar geworden sei. Diese Konsequenz der Unanwendbarkeit des einschlägigen Glückspielstrafrechts habe der EuGH in der Rechtssache Placanica (Urteil vom 6.3.2007, C-338/04, RN 71) ausdrücklich gezogen:

“Die Art. 43 EG und 49 EG sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen, die für Personen wie die Beschuldigten der Ausgangsverfahren eine strafrechtliche Sanktion wegen Sammelns von Wetten ohne die nach dem nationalen Recht erforderliche Konzession oder polizeiliche Genehmigung vorsieht, dann entgegenstehen, wenn sich diese Personen diese Konzessionen oder Genehmigungen deshalb nicht beschaffen konnten, weil dieser Mitgliedstaat es unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht abgelehnt hatte, sie ihnen zu erteilen.“

6.3. Lewisch kommt – nach herber Kritik an der ministeriellen Stellungnahme – zum Ergebnis, dass es für die Unanwendbarkeit des österreichischen Strafrechts hinreiche, dass das österreichische Glückspielrecht EU-rechtswidrig ist. Sind die glückspielrechtlichen Marktzugangsregeln EU-rechtswidrig, dürfen diese auch nicht im Wege eines Strafverfahrens gemäß § 168 StGB durchgesetzt werden. Es gilt infolge der Vorrangwirkung des EU-Rechts ein unmittelbar EU-rechtlich begründetes Anwendungsverbot konfligierenden Strafrechts. Darauf, ob der Glückspielanbieter zu irgendeinem Zeitpunkt um die Konzession angesucht hat, komme es nicht an, ohnehin wäre die Beantragung einer Konzession im Hinblick auf die bereits – intransparent – erfolgte Konzessionsvergabe nach der glückspielrechtlichen Rechtslage von vornherein sinnlos gewesen.

7. Eigene Auffassung

7.1. Bei Beurteilung der Frage, welche Konsequenzen die Rechtsprechung des EuGH (in der Rs Engelmann und anderen das Glückspielrecht betreffenden Erkenntnissen) auf die Anwendbarkeit des § 168 StGB hat, ist zunächst von der Struktur dieser Strafnorm auszugehen. Das Vergehen des Glückspiels ist nach hA ein abstraktes Vermögensgefährdungsdelikt mit zusätzlich ausgeprägter Schutzfunktion zu Gunsten öffentlicher Interessen, durch umfassende  Verwaltung und Kontrolle von Spielveranstaltungen einerseits die Gefahr sozialschädlicher Ausbeutung der Bevölkerung durch Ausnützung der Spielleidenschaft  sowie krimineller Begleiterscheinungen zu mindern und andererseits beträchtliche Staatseinnahmen zu erzielen (vgl Kirchbacher in WK² § 168 RN 1).

7.2. Die Strafdrohung trifft in umfassender Weise den gewinnorientierten Veranstalter und Förderer von Glückspiel und verbotenem Spiel sowie den gewerbsmäßigen Spieler. Zu Gunsten der Veranstalter und Förderer – nicht jedoch der gewerbsmäßigen Spieler – sind Spiele ausgenommen, wenn bloß zu gemeinnützigen Zwecken oder bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge gespielt wird (Kirchbacher aaO RN 9). Weitere Ausnahmen finden sich in der Strafnorm nicht.

7.3. Die etwa von Lewisch in seinem Beitrag „Bet and Lose?“ zur FS-Raschauer (s dort S 141) – von ihm selbst nicht weiter verfolgte – Möglichkeit einer teleologischen Reduktion des Tatbestandes des § 168 StGB aus Gründen der Sozial-Adäquanz (s dazu auch Wegscheider in FS-Moos (1997) S 145 ff) scheidet schon aus Gründen, wie sie zur sogleich dargestellten Rechtfertigungslösung vorgebracht werden, aus.

8. Behördliche Genehmigung als Rechtfertigungsgrund

8.1. Das Glückspielgesetz erlaubt die nach § 168 StGB tatbildliche Veranstaltung von Glückspielen nach Maßgabe eines gesetzlich genau determinierten  Konzessionen-systems oder im Falle der Erteilung  behördlicher Bewilligungen.

8.2. Strafrechtsdogmatisch besteht Übereinstimmung darin, dass Erlaubnisse oder Eingriffsrechte zivil- oder öffentlichrechtlicher Art im Strafrecht unter allen Umständen die Rechtswidrigkeit eines tatbestandsmäßigen Verhaltens ausschließen.  Durch die Anerkennung von Rechtfertigungsgründen jeglicher Art aus allen Teilen der Rechtsordnung werden bei der Unrechtsbewertung die Interessen anderer Rechtsgebiete berücksichtigt und so die Einheit und Widerspruchsfreiheit  der Rechtsordnung gewährleistet (Roxin Strafrecht3 § 7 RN 62, § 14, RN 31).

8.3. Denkbar wäre allerdings im Hinblick darauf, dass  die Strafbarkeit eines bestimmten Verhaltens letztlich davon abhängt, dass dem Täter eine behördliche Erlaubnis fehlt, ob es sich dabei allenfalls um ein negativ gefasstes Tatbestandsmerkmal handelt, sodass bei Vorliegen der Genehmigung bereits der Tatbestand entfällt. Ob das Fehlen der behördlichen Erlaubnis aber ein Tatbestands- oder ein Rechtswidrigkeitsmerkmal ist, hängt davon ab, ob der Erlaubnisvorbehalt nur der Kontrolle eines generell angemessenen Verhaltens gegen Missbrauch dient oder ein deliktstypisches Verhalten ausnahmsweise gestattet.

8.4. Die behördliche Erlaubnis ist echter Rechtfertigungsgrund in den Fällen, in denen die Handlung nicht sozial nützlich oder mindestens wertneutral ist, sondern, wenn sie er-laubt werden soll, eine Interessenabwägung  gegenüber den Interessen der Allgemein-heit erfordert (s Jescheck/Weigend, Lehrbuch5 368 f). Dient das Genehmigungserfordernis dagegen nur der besseren Überwachung einer an sich erwünschten oder wenigstens sozialverträglichen Betätigung, so handelt tatbestandsmäßig, wer die erforderliche Erlaubnis nicht eingeholt hat. Auf die Konzessionsregelung des GSpG trifft ersteres zu. Spiele, die aufgrund gesetzlich vorgesehener Konzessionen oder behördlicher Bewilligungen stattfinden, sind daher nicht rechtswidrig, Veranstaltung und Förderung dieser Glückspiele sowie gewerbsmäßige Spielteilnahme sind gerechtfertigt und nicht nach § 168 strafbar (Kirchbacher aaO RN 18).

8.5. Das bedeutet zum einen, dass die von Lewisch angenommene (und als Argument für die Durchschlagswirkung einer EU-Rechtswidrigkeit des öst. Glücksspielrechts auf  das österreichische Glücksspielstrafrecht herangezogene) „materielle Verwaltungsakzessorietät“ in Wahrheit nicht vorliegt. Denn unter Verwaltungs(rechts)akzessorietät versteht man die Abhängigkeit der Strafbarkeit von  verwaltungsrechtlichen Rechtsvorschriften, was für § 168 StGB nur für den sehr engen Bereich der verbotenen Spiele gilt. Nach Aufhebung der Glückspielverordnung findet sich, soweit überblickbar, überhaupt nur in Bezug auf sog „Hütchenspiele“ ein Veranstaltungsverbot in § 30 Abs 1 Z 6 Wiener Veranstaltungsgesetz (Kirchbacher aaO RN 8a).

8.6. Zum anderen aber bedeutet dies nichts anderes, als  dass das Vorliegen dieses Rechtfertigungsgrundes, in concreto also die Erteilung einer Konzession, objektiv erwiesen sein muss und der Täter subjektiv in Kenntnis des Rechtfertigungsgrundes handelt, um Straffreiheit zu erlangen. Tatbestandsmäßiges Handeln ohne behördliche Erlaubnis ist daher jedenfalls grundsätzlich strafbar.

8.7. Die bloße Genehmigungsfähigkeit, das heißt ein Sachverhalt, bei dem eine Genehmi-gung hätte erteilt werden können oder müssen, genügt idR nicht zur Straffreiheit. Denn das Genehmigungsverfahren würde ad absurdum geführt werden, wenn es unter Berufung auf die Genehmigungsfähigkeit umgangen werden dürfte. Anderes könnte gelten, wenn die Behörde rechtswidrig eine Genehmigung versagt, zu deren Erteilung sie verpflichtet gewesen wäre. Diese in der österreichischen Strafrechtsdogmatik nicht wirklich diskutierte Problematik (zum Meinungsstand in Deutschland s Roxin aaO § 17 RN 48 ff, 51) kann aber auf sich beruhen, weil die Frage der strafrechtlichen Implikation von EuGH-Urteilen auf die Anwendbarkeit des § 168 StGB nach der dargestellten ös-terreichischen Rechtslage unmittelbar an die rechtswidrige Verweigerung einer behördlichen Genehmigung (Konzession) anknüpft. 

8.8. Bezogen auf das gesetzlich geregelte Konzessionensystem des GSpG müsste eine Konzession dann erteilt werden, wenn sämtliche gesetzlich vorgesehenen Voraussetzungen, neben den Mindestanforderungen des § 21 GSpG auch die übrigen Vergabebedingungen inklusive der höchsten Ertragserwartung  erfüllt wären und eine Konzessionserteilung mit Rücksicht auf die Begrenzung ihrer Anzahl überhaupt noch möglich wäre. Treffen alle diese Vorbedingungen auf den Konzessionswerber zu, wäre eine Verweigerung rechtswidrig. Wird die Konzession bei Zutreffen aller sonstigen Voraussetzungen ausschließlich deshalb verweigert, weil ein Bewilligungserfordernis nicht erfüllt ist, welches im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht steht und vom EuGH als unionsrechtswidrig qualifiziert wurde, dann ist die Versagung der Konzession ebenfalls rechtswidrig. In diesem und nur in diesem Fall ist es vertretbar, den Täter so zu stellen, als käme ihm der – rechtswidrig verweigerte – Rechtfertigungsgrund zugute. Diesem Fall gleichzustellen ist das Unterbleiben einer Antragstellung im Hinblick allein auf die wegen der gemeinschaftsrechtswidrigen Bedingung zu erwartende Erfolglosigkeit. Nur in diesem Rahmen ist auch dem Grundsatz des Vorranges des Gemeinschaftsrechtes gegenüber nationalem Recht Rechnung zu tragen.

8.9. Das Ausschließlichkeitserfordernis der unionsrechtlichen Rechtswidrigkeit (für die Versagung der behördlichen Genehmigung) als Grund eines strafgerichtlichen Verfolgungsverbotes geht  auch aus dem Placanica – Urteil hervor. Darin führt der Gerichts-hof neben dem – oben zum Gutachten Lewisch zitierten – fallrelevanten Hinweis auf die  konstatierte Gemeinschaftsrechtswidrigkeit (RN 71) unter Berufung auf seine ständige Rechtsprechung aus , „dass  ein Mitgliedstaat keine strafrechtlichen Sanktionen wegen einer nicht erfüllten Verwaltungsformalität verhängen darf, wenn er die Erfüllung dieser Formalität unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht abgelehnt oder vereitelt hat (RN 69)“

Die Wortfolge in RN 71 …“ wenn sich diese Personen diese Konzessionen oder Ge-nehmigungen deshalb nicht beschaffen konnten, weil dieser Mitgliedstaat es unter Ver-stoß gegen das Gemeinschaftsrecht abgelehnt hatte, sie ihnen zu erteilen“ bringt (arg „deshalb“) unmissverständlich zum Ausdruck, dass die Ablehnung nicht auch, sondern nur unter Verst0ß gegen das Gemeinschaftsrecht erfolgte. Für den im Gutachten Lewisch vertretenen Standpunkt ist daher aus dem Urteil Placanica nichts zu gewinnen, vielmehr wird die hier vorgetragene  Position bestätigt.

9. Ergebnis

9.1. Die Strafnorm des § 168 StGB ist – abgesehen vom Verweis auf verbotene Spiele – nicht verwaltungsrechtsakzessorisch ausgestaltet.

9.2. Die im GSpG normierten Ausnahmen behördlich erlaubter Glücksspielbetätigung sind strafrechtlich als Rechtfertigungsgrund zu bewerten.

9.3. Um den Erlaubnistatbestand als Rechtfertigungsgrund in Anspruch nehmen zu können, muss die behördliche Genehmigung (Konzession,  Bewilligung) erteilt worden sein. Eine bloße Genehmigungsfähigkeit genügt nicht.

9.4. Einer erteilten Genehmigung ist sub titulo Vorrang des Gemeinschaftsrechts vor natio-nalem Recht die Verweigerung der Genehmigung dann gleichzusetzen, wenn der Grund für die Versagung der Genehmigung dem Gemeinschaftsrecht widerspricht und unter Abstandnahme dieses Grundes die Genehmigung recte hätte erteilt werden müs-sen.

9.5. Unter dieser (Ausschließlichkeits-)Prämisse ist es auch nicht erforderlich, dass der Täter im Hinblick auf die durch das unionsrechtswidrige Hemmnis zu erwartende Erfolglosigkeit von der Stellung eines Antrages auf Erteilung der Genehmigung (Konzession) abgesehen hat.

9.6. Das im Urteil Engelmann konstatierte unionsrechtswidrige Sitzerfordernis und die festgestellte Intransparenz der erfolgten Konzessionsvergabe wäre mit Blick darauf, dass auch eine Reihe weiterer, gemeinschaftsrechtlich unbedenklicher gesetzlicher Mindestanforderungen nicht erfüllt waren, nicht der einzige Grund gewesen, weshalb ein Konzessionsantrag keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Die unionsrechtswidrige Vorgangsweise bei der Konzessionsvergabe ändert im Übrigen nichts daran, dass die gemeinschaftsrechtskonform begrenzte Anzahl der zu vergebenden Konzessionen im Zeitpunkt der Aufnahme der fallrelevanten Glückspielaktivitäten (2004 bis 2006) be-reits ausgeschöpft war und auch aus diesem Grunde eine Konzessionserteilung nicht möglich gewesen wäre.

9.7. Dass § 168 StGB durch die aus dem Engelmann Urteil zu ziehenden Konsequenzen nicht mehr angewendet werden dürfe, ist nicht begründbar. 
 

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