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Neue Glücksspielbehörde drängt Provider zu Netzsperren

Bild © betexion, Pixabay / Bild © bestonlinecasinos, Pixabay (Ausschnitt)

Praktisch auf Zuruf sollen Provider Netzsperren für illegales Glücksspiel hochziehen. Das schreibt die neue Glücksspielaufsicht in einem Rundbrief und weist auf mögliche Zwangsgelder hin. Bei den Providern kommt das gar nicht gut an. Auch aus dem Bundestag gibt es Kritik.

Internet-Provider sollen Websites mit illegalem Glücksspiel freiwillig sperren, und zwar auf Zuruf durch die zuständige Aufsicht. So schlägt es zumindest die Gemeinsame Glücksspielaufsicht der Länder (GGL) vor. Die neue Behörde mit Sitz in Sachsen-Anhalt hat ihre Arbeit Anfang Juli aufgenommen. In einem Rundschreiben fragt sie deutsche Provider, ob sie bei diesem „kooperativen Ansatz“ mitmachen möchten. Im gleichen Schreiben weist die Behörde auf mögliche Zwangsgelder hin.

Netzsperren lassen sich zwar mit technischen Tricks umgehen. Sie gehören aber zu den härtesten Maßnahmen gegen illegale Angebote im Netz. Provider verhindern in diesem Fall, dass ihre Kund:innen eine Website wie gewohnt im Browser aufrufen können. In der Regel setzen Provider solche Netzsperren erst nach einem formellen Verwaltungsverfahren um – und nicht etwa auf Zuruf, wie die GGL es anregt.

Der Vorstoß trifft bei Providern auf scharfe Kritik. Ein kleinerer, deutscher Anbieter nennt den Brief der Glücksspielaufsicht ein „ziemlich unsubtiles Erpresserschreiben“. Die Provider Vodafone, Telekom und PŸUR lehnen die angeregte freiwillige Zusammenarbeit ab. Auch aus dem Bundestag gibt es Gegenwind. Die Vorsitzende des Digitalausschusses im Bundestag, Tabea Rößner (Grüne), bezeichnet das Vorgehen der GGL als „etwas unglücklich“. Die Abgeordnete Petra Sitte (Linke) nennt es „absolut inakzeptabel“. Es stelle „faktisch eine Aufforderung zum Rechtsbruch dar“.

Auf Anfrage von netzpolitik.org schreibt die Behörde: „Die GGL verfolgt einen kooperativen Ansatz mit Gesprächen auf Augenhöhe.“ Es gehe der GLL um eine langfristige, vertrauensvolle Zusammenarbeit. Mit dem Rundschreiben hätten die Provider „sensibilisiert“ werden sollen. Digitale Freiheitsrechte seien „ein hohes Gut, das es zu wahren gilt“. Netzsperren für illegale Glücksspielangebote seien „angemessen, geeignet und rechtsstaatlich einwandfrei“.

Zwangsgeld: So macht die Glücksspielaufsicht Druck

Das Rundschreiben der Glücksspielaufsicht, das wir hier im Volltext veröffentlichen, richtet sich „an alle Internetserviceprovider in Deutschland“. Es beginnt freundlich. Die neue Behörde schreibt, sie möchte sich vorstellen und über ihre Tätigkeit informieren. Dazu gehöre es, gegen Anbieter von unerlaubtem Glücksspiel vorzugehen. Das gestalte sich laut GGL jedoch in vielen Fällen als schwierig, da die Anbieter im Ausland sitzen. Es sei eine „gemeinsame Aufgabe der Aufsichtsbehörden“ und der Provider, diese Angebote zu bekämpfen.

Und dann unterbreitet die Behörde den Providern das ungewöhnliche Angebot.

Wir bieten Ihnen daher an, dass anstelle des formellen Verwaltungsverfahrens eine direkte Kommunikation zwischen der GGL und Ihnen als Internet-Service-Provider hergestellt wird, die zum Ergebnis hat, dass eine Sperre von Ihnen eingerichtet wird, Verwaltungskosten aber nicht anfallen. Wir erwarten nur, dass die Sperrung umgehend umgesetzt wird.

Kurz gesagt: Provider sollen einfach sperren, worum die Behörde sie bittet. „Möglich erscheint ein Nachweis per Screenshot“. Danach ändert sich der Tonfall des Schreibens. Die GGL beschreibt, was passiere, falls die Provider nicht freiwillig mitziehen. Am Ende ist die Rede von hohen Geldbeträgen.

Konkret schreibt die GGL, es gebe dann regelmäßige Anhörungen über unerlaubte Glücksspielangebote. Dabei sei von „einer immensen Häufigkeit“ auszugehen. Die Folge seien Verfügungen – so nennt man das, wenn eine Behörde einem Provider offiziell sagt, er soll eine Website sperren. Und so eine Verfügung könne mit einer „Zwangsgeldandrohung“ verbunden werden. Bis zu einer halben Million Euro.

Grüne im Bundestag: erste Amtshandlung „etwas unglücklich“

Zum Vorgehen der neuen Aufsicht gibt es Kritik aus dem Bundestag. Die Vorsitzende des Digitalausschusses, Tabea Rößner (Grüne), schreibt netzpolitik.org, es erschiene ihr „etwas unglücklich, die am Glücksspiel unbeteiligten Provider als eine der ersten Amtshandlungen so offensiv auf das schärfste Schwert aus dem neuen Glücksspielstaatsvertrag der Länder hinzuweisen.“ Allerdings sei das Schreiben „nicht für die Öffentlichkeit bestimmt“ gewesen.

Rößner sehe Netzsperren als Instrument „grundsätzlich kritisch“. Sie würden immer das Risiko beinhalten, „zu einem Dammbruch für Inhaltesperrungen zu werden“, schreibt sie. Im Glücksspiel-Staatsvertrag seien Netzsperren „als Ultima Ratio vorgesehen“.

Der digitalpolitische Sprecher der FDP, Maximilian Funke-Kaiser warnt vor den „massiven Grundrechtseinschränkungen“ durch Netzsperren. Es müsse darum gehen, „stets das effektivste mildeste Mittel zu wählen und bestehende mildere Regelungen durchzusetzen.“ Eine Antwort der SPD hat uns innerhalb eines Tages nicht erreicht.

Generell kann Glücksspiel nicht nur illegal sein, sondern auch süchtig machen. Das Ärzteblatt nennt es „eine der teuersten psychischen Erkrankungen“, denn viele Betroffene würden sich massiv verschulden. Die öffentlich-rechtliche Glücksspielaufsicht möchte Spieler:innen schützen, Prävention und Forschung fördern. Zu ihren Aufgaben gehört aber auch das Vorgehen gegen unerlaubte Angebote.

Vodafone gegen freiwillige Kooperation

Wenig spricht dafür, dass sich Provider auf Netzsperren per Zuruf einlassen. Vodafone hat netzpolitik.org bereits mitgeteilt, man werde dieser „Bitte nicht nachkommen“. Vielmehr wolle man sich „an die rechtlichen Rahmenbedingungen“ halten. „Wir werden also im nächsten Schritt sehr genau analysieren, ob und unter welchen Voraussetzungen wir hier sperren müssen.“

Eine Absage erteilt auch der Berliner Anbieter PŸUR. Er sehe „keinen Anlass“, den Aufforderungen Folge zu leisten. Das „Kooperationsangebot“ lehne er dankend ab. Die Telekom schreibt, sie dürfe Zugangssperren nur dann einrichten , „wenn hierfür eine konkrete, rechtsgültige Anordnung vorliegt“ – also auch eine Absage. 1und1 hat nach eigenen Angaben bisher kein Schreiben der GGL erhalten.

Petra Sitte sitzt für die Linke im Digitalausschuss des Bundestags. Aus Sicht ihrer Partei war es ein „Fehler“, der Glücksspielaufsicht die Anordnung von Netzsperren zu erlauben. Der Europäische Gerichtshof habe in seiner Rechtsprechung betont, dass Sperrmaßnahmen einer Abwägung von Grundrechten bedürfen, so Sitte weiter. Es gehe etwa um Informationsfreiheit und Netzneutralität. Eine solche Abwägung könne das von der GGL angeregte, informelle Verfahren „offensichtlich“ nicht gewährleisten. „Ohnehin sollte es selbstverständlich sein, dass Grundrechtseingriffe nicht auf dem kurzen Dienstweg erfolgen können“, schreibt Sitte.

„Etablierung einer Zensurplattform“

Die mangelnde Abwägung von Grundrechten kritisierte auch ein kleinerer Provider, der in diesem Artikel anonym bleiben möchte. Er möchte lieber nicht die Feindseligkeit einer Behörde auf sich richten, schreibt er. Der Provider erklärt, als Anbieter und Nutzer finde er es „komplett abartig“, in das freie Internet eingreifen zu müssen. Er befürchtet auch ein rechtliches Risiko.

„Wenn uns die GGL eine solche Sperrliste ohne Verwaltungsakt schickt und wir diese, mutmaßlich ohne Rechtsgrundlage, einfach umsetzen, stehen WIR doof da.“ Solche Netzsperren auf dem kurzen Dienstweg würden zu „Missbrauch und inflationärer Nutzung“ einladen. Man befürchte die Etablierung einer Zensurplattform. Zudem könnten Netzsperren Kollateralschäden bringen. Legale Angebote könnten versehentlich mitgesperrt werden, weil sie dieselbe IP-Adresse nutzen. Die in dem Rundschreiben erwähnten Verwaltungskosten nennt der Provider eine „offene Drohung“.

Wir wollten von der GGL wissen, inwiefern die erwähnten Zwangsgelder als Einschüchterung intendiert waren. Antwort: Die Passage gebe den gesetzlichen Rahmen für Zwangsgelder wieder und diene der Information. „Sollte eine Zwangsgeldandrohung bzw. Festsetzung erforderlich sein, ist selbstverständlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Adressaten zu berücksichtigen.“

Netzsperren: „Pferdekadaver“ seit 2011

Schon im Jahr 2011 gab es Bemühungen, Netzsperren gegen illegales Glücksspiel einzuführen. Der damals neue Vorschlag für den Glücksspielstaatsvertrag sah vor, dass die zuständige Aufsicht Provider zu Sperren anweisen kann. Der Chaos Computer Club und der „Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur“ warnten davor, Netzsperren als Mittel gegen Kriminalität im Netz salonfähig zu machen.

Benjamin Stöcker, Anwalt und Mitglied des Arbeitskreises, bezeichnete das als „weiteren Versuch, eine Zensurinfrastruktur in Deutschland aufzubauen“. Der freie Zugang zu Informationen im Netz werde massiv gefährdet. Der damalige CCC-Sprecher Dirk Engling beklagte die „monatelangen“ Debatten und eine „erstaunliche Lernresistenz“ bei zuständigen Behörden. Netzsperren seien ein „längst verwesender Pferdekadaver“.

Das war vor 11 Jahren.


Hier das Rundschreiben der GLL im Volltext


Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder

Anstalt des öffentlichen Rechts

Datum: 14.07.2022

an alle Internetserviceprovider in Deutschland

vorab per E-Mail

Vollzug des Glücksspielstaatsvertrags (GlüStV 2021)

Hier: Maßnahmen zur Sperrung unerlaubter Glücksspielangebote

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir möchten uns mit diesem an alle uns bekannten und in Deutschland tätigen Internet-Service-Provider gerichteten Schreiben vorstellen und Sie bei dieser Gelegenheit über den für Sie relevanten Teil unsere Tätigkeit informieren.

Seit dem 01.07.2021 nehmen wir als die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder (AöR), im Folgenden GGL, die Aufgaben der Glücksspielaufsicht nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2021 (GlüStV 2021) sukzessiv wahr. Als Glücksspielaufsicht obliegt es uns, den mit dem Glücksspiel einhergehen Gefahren und Risken entgegenzuwirken. Dies tun wir, indem wir das Glücksspielangebot in geordnete und überwachte Bahnen lenken und der Ausbreitung von unerlaubten Glücksspielen entgegenwirken, vgl. § 1 GlüStV 2021.

Über den von Ihren Unternehmen vermittelten Zugang zum Internet ist für Ihre Kunden und sonstigen Nutzer Ihrer Zugänge die Teilnahme an Glücksspielangeboten möglich. Die Veranstaltung und Vermittlung öffentlichen Glücksspiels steht gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 GlüStV 2021 unter Erlaubnisvorbehalt. Die zuständige Behörde (bis 31.12.2022 Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt; ab 01.01.2023 GGL) veröffentlicht eine gemeinsame amtliche Liste (Whitelist), in der die Veranstalter und Vermittler von Glücksspielen aufgeführt werden, die über eine Erlaubnis oder Konzession nach dem GlüStV 2021 verfügen. Diese Whitelist können Sie über unsere Homepage unter www.gluecksspiel-behoerde.de abrufen.

Seit dem 01.07.2022 liegt die Bekämpfung unerlaubtem Glücksspiel mit dem Maßnahmenkatalog des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 bis 5 GlüStV 2021 im Zuständigkeitsbereich der GGL.

Glücksspielanbieter, die nicht auf der Whitelist geführt werden, betreiben unerlaubtes Glücksspiel. Gegen sie wird, sofern sie sich nicht mit Erfolgsaussichten im Erlaubnisverfahren befinden gemäß § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 GlüStV 2021 vorgegangen werden. Die Erfahrung zeigt aber, dass sich Anbieter über diese Untersagung hinwegsetzen. Ein Vollzug gestaltet sich in vielen Fällen als schwierig, da die Anbieter regelmäßig im Ausland sitzen und Vollzugsabkommen nicht bestehen. Daher kann die GGL gemäß § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 GlüStV 2021 nach vorheriger Bekanntgabe unerlaubter Glücksspielangebote Maßnahmen zur Sperrung dieser Angebote gegen im Sinne der §§ 8 bis 10 des Telemediengesetzes verantwortliche Diensteanbieter, insbesondere Zugangsvermittler und Registrare, ergreifen, sofern sich Maßnahmen gegenüber einem Veranstalter oder Vermittler dieses Glücksspiels als nicht durchführbar oder nicht erfolgversprechend erweisen; diese Maßnahmen können auch erfolgen, wenn das unerlaubte Glücksspielangebot untrennbar mit weiteren Inhalten verbunden ist. Es handelt sich um einen Verwaltungsverfahren nach §§ 9 VwVfG, an dessen Ende ein für Sie kostenverursachender Verwaltungsakt erlassen wird.

Glücksspielanbieter, die wegen der Art ihrer Angebote nicht erlaubnisfähig sind, oder die nicht bzw. nicht ernsthaft vorhaben eine Erlaubnis zu erlangen, gefährden die Ziele des § 1 GlüStV 2021. Diese Anbieter fügen sich nicht den vorgesehene Schutzmechanismen des GlüStV 2021. Um dem Spielerschutz und den weiteren Zielen zu dienen, sind diese Anbieter zu bekämpfen. Diese Aufgabe ist eine gemeinsame Aufgabe der Aufsichtsbehörden und der verantwortlichen Dienstanbieter, also der Internet-Service-Provider. Wir bieten Ihnen daher an, dass anstelle des formellen Verwaltungsverfahrens eine direkte Kommunikation zwischen der GGL und Ihnen als Internet-Service-Provider hergestellt wird, die zum Ergebnis hat, dass eine Sperre von Ihnen ein- gerichtet wird, Verwaltungskosten aber nicht anfallen. Wir erwarten nur, dass die Sperrung umgehend umgesetzt wird und wir unmittelbar in geeigneter Form – im Sinne eines Nachweises der Sperrung – unterrichtet werden. Möglich erscheint ein Nachweis per Screenshot oder, falls technisch umsetzbar, per Protokoll, aus dem die Einrichtung der Sperre hervorgeht.

Technisch ist die Umsetzung einer Sperre Ihnen überlassen. Die DNS-Sperre erscheint angesichts der Umsetzbarkeit und zur Vermeidung eines „Overblockings“, also der ungewollten Sperrung von nicht betroffenen Internetseiten, aus unserer Sicht als sinnvollste Maßnahme.

Sollten Sie diesen aufgezeigten kooperativen Ansatz nicht verfolgen wollen, wird regelmäßig im Rahmen einer Anhörung die Bekanntgabe der von uns ermittelten unerlaubten Glücksspielangebote erfolgen müssen. Angesichts der Vielzahl an Angeboten ist von einer immensen Häufigkeit auszugehen. Folglich würden Sie nach der Bekanntgabe durch Verfügung zur Sperrung aufgefordert. Widerspruch bzw. Klage hiergegen haben gemäß § 9 Abs. 2 GlüStV 2021 keine aufschiebende Wirkung, sind dementsprechend innerhalb der durch die Verfügung mitgeteilten Frist umzusetzen. Zudem kann die Verfügung mit einer Zwangsgeldandrohung bis zu einem Betrag in Höhe von EUR 500.000,00 verbunden werden. Zur Sicherung der Durchsetzung der Verfügung wird von einer Androhung Gebrauch gemacht. Die letztlich noch von Ihnen zu tragenden Verwaltungskosten können in einem Rahmen zwischen EUR 500,00 und EUR 500.000,00 festgesetzt werden.

Wir hoffen daher auf eine kooperative Zusammenarbeit mit Ihnen.

Mit freundlichen Grüßen

Quelle:

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