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NZZ: „Dicke Dollarbündel und riesige Schlaglöcher: Ein chinesischer Casino-Boom stellt eine kambodschanische Stadt auf den Kopf“

Glücksspielwerbung / Bild © CC0 Creative Commons, Pixabay (Ausschnitt)

Bis vor kurzem war die Hafenstadt Sihanoukville verschlafen. Dann kamen die Chinesen und mit ihnen Dutzende von Casinos. Nun dreht sich das Karussell des schnellen Glücks. Wie lange kann das gutgehen?

«Jetzt hast du kein Geld mehr», sagt die Chinesin. Eher nüchtern als entrüstet. Der Mann im schwarzen T-Shirt neben ihr senkt den Kopf. Vor knapp fünf Minuten hatte er noch ein dickes Bündel Hunderternoten in der Hand, über 30 000 Dollar. Doch nach vier Spielrunden Dragon-Tiger – eine lokale Version von Baccarat – ist alles weg. Als er seine letzten 10 000 Dollar verliert, geht ein Raunen durch die Gruppe, die sich um den Spieltisch versammelt hat. Die Dealerin zieht die Noten ein, lässt sie durch die Geldzählmaschine rattern und zahlt einem anderen Spieler ein paar Hunderter aus. Dann beginnt das nächste Spiel. Erneut liegen Tausende von Dollar auf dem grünen Samt des Spieltisches.

Szenen wie diese im Casino New Macau des Hotels Xihu spielen sich in Sihanoukville im Minutentakt ab, rund um die Uhr. Innert knapp drei Jahren hat sich die kambodschanische Hafenstadt in eine gigantische Spielhölle verwandelt. Dutzende von Casinos sind aus dem Boden geschossen, legale wie illegale. Verzockt werden zwar amerikanische Dollar – doch die Spieler sind fast ausnahmslos Chinesen.

Die Stadt platzt aus allen Nähten

Das chinesische Geld liegt nicht nur auf den Spieltischen. Die meisten Casinos sind auch von Chinesen gebaut worden. Rund eine Milliarde Dollar haben chinesische Unternehmen laut dem Gouverneur von Sihanoukville zwischen 2016 und 2018 in der Provinz investiert. Drei Viertel aller Hotels sind in chinesischen Händen, neun von zehn Restaurants. Viele Firmennamen und Menukarten sind auf Chinesisch – und nur Chinesisch. Ebenso das kleine Kärtchen mit dem Angebot für sexuelle Dienste, das Hotelgästen nachts unter der Tür durchgeschoben wird. Mandarin ist überall zu hören. Die Stadt ist fest in chinesischen Händen. Rund ein Drittel der Einwohner sollen chinesische Bürger sein.

Das enorme Wachstum führt dazu, dass die Stadt aus allen Nähten platzt. Überall stehen Baukräne, an manchen Strassen ist die Hälfte der Gebäude hinter Gerüsten versteckt. Es hämmert, rattert und baggert rund um die Uhr. Die Strassen sind mit gigantischen Schlaglöchern übersät. Der Belag bricht ein unter den Kolonnen von schweren Lastwagen und Baumaschinen, die sich im Schritttempo durch die Stadt quälen. Die Rolls-Royce- und Maybach-Limousinen dagegen, die vor mehreren Casinos für zahlungskräftige Spieler bereitstehen, wirken wie im falschen Film.

Nicht nur die Spieler hoffen in Sinahoukville auf ihr Glück. Die ganze Stadt scheint im Spielrausch zu sein. Sie setzt ihre ganze Zukunft auf eine Karte, aufs Glücksspiel. So viele Auswärtige wollen am Geldfluss teilhaben, dass sich die Bevölkerung in kurzer Zeit auf rund 300 000 Einwohner verdoppelt hat.

Eine Anlaufstelle für Neuankömmlinge ist der Apsara Photo Shop. Der Laden bietet nicht nur Fotokopien und Passfotos, denn wer eine Stelle sucht, braucht ein CV. Zwei Angestellte tippen umringt von Interessenten Lebensläufe für diejenigen, die selber keinen Computer bedienen können. Dazu überschreiben sie einfach den vorherigen Lebenslauf. Aus «Erfahrung: 5 Jahre als Fahrer» wird «3 Monate als Putzfrau», dazu Name, Adresse, Geburtsdatum und Schulbildung (meist nur einige Jahre Primarschule). Fertig ist der Lebenslauf der Kandidatin oder des Kandidaten.

Die «3 Monate als Putzfrau» stehen im Lebenslauf von Ny. Die 38-Jährige kam vor einem Vierteljahr mit ihrem Mann nach Sihanoukville. Nun wechseln sie bereits ihre Stellen. Die je 250 Dollar, die sie als Putzfrau und er als Sicherheitsmann in einem Hotel verdient haben, sind ihnen zu wenig. Denn die Lebenskosten sind hoch, das kleine Zimmer, das sie sich teilen, kostet monatlich 100 Dollar. Je 300 Dollar wollen sie nun verdienen, darum bewirbt sich Ny in einem Casino. Ihre 18-jährige Tochter arbeite bereits da und verdiene an einem der Spieltische mehr als 450 Dollar, sagt Ny mit sichtlichem Stolz. Die Mutter ist entschlossen, sich ihren Anteil am Casino-Boom zu holen. Sie klebt ihr Foto auf die Bewerbung, steckt diese in ein braunes Couvert. Dann macht sie sich zum Gehen auf. Ihre Dokumente trägt sie in einer Billigimitation einer Louis-Vuitton-Tasche.

250, 300, gar 450 Dollar sind viel Geld in einem Land, in dem der Minimallohn für Textilarbeiter bei 185 Dollar im Monat liegt. Im informellen Sektor verdienen viele noch deutlich weniger. Kommt dazu, dass die Casinos Kost und Logis übernehmen. Darum saugen sie Arbeiter auf wie ein Schwamm – andere Branchen sitzen auf dem Trockenen. Früher hätten im Apsara Photo Shop zwanzig Personen gearbeitet, sagt eine Angestellte. Nun seien sie noch zu sechst. Die anderen hätten in den Casinos angeheuert, weil es dort mehr zu verdienen gebe. Mit den gleichen Überlegungen kämpft die 23-jährige Yuri. Sie wäre gern Coiffeuse und hat Erfahrung im Beruf: «Doch damit ist einfach kein Geld zu verdienen», sagt sie. Energisch klebt sie das Couvert mit ihrer Bewerbung für einen Job im Casino zu.

Eine Wohnung mit Casino-Anschluss

Viele Kambodschaner schwanken zwischen den wirtschaftlichen Möglichkeiten, die sich auf einmal bieten, und dem Gefühl, dass ihre Stadt nicht mehr ihnen gehört. «Es ist, als ob mein Haus von Gästen überrannt worden wäre», sagt La. Mit einem Küchenbeil hackt sie einem gerupften Huhn die Füsse und den Kopf ab, schlitzt den Bauch auf, so dass die Innereien herausquellen.

Ihr Fleischgeschäft auf dem Strassenmarkt von Klang Leu am Stadtrand von Sihanoukville läuft hervorragend – bis zu 100 Dollar könne sie verdienen, sagt sie, und zwar pro Tag. Auch wenn ihre Kunden vorwiegend Kambodschaner sind, hat sie ein paar Brocken Chinesisch gelernt. Ihre vierjährige Tochter will sie nun in den Chinesischunterricht schicken. So soll sie in der schönen neuen Welt Sihanoukvilles beste Startbedingungen erhalten. Denn auch wenn La die Chinesen nicht sympathisch sind – dass dank ihnen die Wirtschaft im zuvor verschlafenen Sihanoukville voll in Schwung ist, begrüsst sie sehr.

Doch es gibt klare Anzeichen, dass der Markt überhitzt ist. Vor allem die Mieten haben verrückte Dimensionen angenommen. Für ihren kleinen, verlotterten Stand im zentralen Markt bezahlt eine chinesische Tofuverkäuferin dem kambodschanischen Besitzer 1000 Dollar pro Monat. An unzähligen Häusern und Geschäften hängen «Zu vermieten»-Schilder. Für einen Laden am Victoria Hill etwa, wo früher die westlichen Backpacker abhingen, will die resolute Besitzerin eine monatliche Miete von 8500 Dollar. Sie nennt den unglaublichen Betrag, ohne mit der Wimper zu zucken. Findet sie einen Chinesen – Kambodschaner würden das nie bezahlen –, will sie sich zur Ruhe setzen und von der Miete leben.

Gleichzeitig ziehen chinesische Baufirmen Wohnblock um Wohnblock hoch. Eine «äusserst attraktive» Investitionsmöglichkeit sei dies, sagt eine adrett gekleidete chinesische Sales-Dame – und versucht dem Journalisten 12 000 chinesische Nachbarn schmackhaft zu machen. Wegen der ganzen Bauerei ist der Showroom kaum zu finden, doch dort zeigt ein wild leuchtendes Modell, wie die Überbauung Cheerful Bay einmal aussehen soll. In der Mitte steht ein dreissigstöckiges Casino.

Für 180 000 Dollar kann man ein Studio kaufen, das unterirdisch direkten Zugang zum Casino bietet. Die Strasse nach Cheerful Bay allerdings sieht aus wie frisch zerbombt, die Schlaglöcher sind so tief, dass die Autos bis zum Unterboden in die schlammigen Pfützen sinken. Keine Angst, die Strasse werde garantiert bald geflickt, verspricht die Dame.

Online-Casinos verboten

Wenn bloss die Blase nicht schon früher platzt. Mitte August haben die kambodschanischen Behörden gegen illegale Online-Casinos durchgegriffen. Diese hatten sich häufig in den Hotelzimmern der lizenzierten Casinos angesiedelt. Auch hier sind viele Kunden Chinesen – obwohl Glücksspiel in China selber verboten ist. Die chinesischen Behörden sollen auf Kambodscha Druck ausgeübt haben, das Online-Glücksspiel zu unterbinden. Bald schon sollen auch die Lizenzen der legalen Online-Casinos auslaufen. Über 150 Chinesen, die in illegalen Casinos tätig waren, wurden verhaftet und nach China überstellt. Laut lokalen Medienberichten haben mehrere zehntausend Chinesen Sihanoukville nach der Verhaftungswelle verlassen.

Bereits sind die Auswirkungen weiter unten in der Nahrungskette zu spüren. Sein Geschäft sei komplett zusammengebrochen, sagt ein Tuktuk-Fahrer. Der 51-jährige Piseth ist aus der Provinz hergezogen. Weil er sich die Mieten nicht leisten kann, schläft er in seinem offenen dreirädrigen Gefährt. 100 Dollar pro Monat muss er für das Tuktuk abstottern – und zwar noch für weitere zwei Jahre. «Wenn es so weitergeht, muss ich mein Glück in Phnom Penh versuchen», sagt er. Vielleicht hat er in der sechs Fahrstunden entfernten Hauptstadt mehr Glück. Piseth beschleichen Zweifel, ob es eine gute Idee war, vor zwei Jahren einen Kredit von 4000 Dollar für das Tuktuk aufzunehmen. Kann er diesen je abzahlen?

Eines steht fest: Wenn die Casinoblase von Sihanoukville platzt, werden die spielverrückten Chinesen an den Casinotischen nicht die Einzigen sein, die Verluste einstreichen müssen.

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