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Oberster Gerichtshof (OGH): EuGH-Vorabentscheidung nicht notwendig – Nationale Gerichte entscheiden über EU-Konformität

Oberster Gerichtshof (OGH):  EuGH-Vorabentscheidung nicht notwendig Der Oberste Gerichtshof hat aktuell festgestellt, dass aufgrund der umfangreichen einschlägigen Rechtsprechung des EuGH ein Vorabentscheidungsverfahren nicht notwendig ist.


Die nationalen Gerichte haben selbst genau zu prüfen, ob die Kriterien des EuGH zur Vergabe von Konzessionen, dem Verhalten des Konzessionärs (zB nur maßvolle Werbung) und zur behördlichen Überwachung durch die österreichischen Monopolregelungen erfüllt sind. Kommt das Gericht zum Schluss, dass den europarechtlichen Vorgaben entsprochen wird, sind die österreichischen Gesetze uneingeschränkt anzuwenden.

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Expertise

 

1.            Die Entscheidung des OGH vom 27.11.2013 zur Geschäftszahl 2 Ob 243/12t betrifft einen Fall, in dem ein Spieler seine Spielverluste in Höhe von 950.00,00 € von einem Internet-Glücksspiel-Anbieter zurück forderte. Der spielsüchtige Kläger hat den Klagsbetrag beim Online-Roulette verspielt. Die beklagten Veranstalter dieser Ausspielungen sind Tochtergesellschaften maltesischen Rechts einer multinationalen Unternehmensgruppe mit Niederlassungen in Deutschland, Österreich und Malta, die über keine gültige österreichische Konzession verfügen und deshalb keine Glücksspiele iSd Glücksspielgesetzes anbieten dürfen.

2.            Das erstinstanzliche Gericht hat die Klage abgewiesen, weil Sportwetten und Glücksspiele nach der Judikatur des EuGH der Dienstleistungsfreiheit unterliegen und das österreichische Glücksspielmonopol in seiner konkreten Ausgestaltung unionsrechtswidrig sei. Die beklagten Online-Anbieter seien deshalb berechtigt in Österreich Glücksspiele anzubieten.

3.            Das Berufungsgericht gab in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils der Klage zur Gänze statt. Aufgrund der bestehenden Judikatur des EuGH verneinte das Berufungsgericht die Notwendigkeit der Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH. Da Online-Roulette in Österreich nur mit einer entsprechenden Lizenz nach dem Glücksspielgesetz zivilrechtlich legal angeboten werden darf, hätten die beklagten Online-Anbieter beweisen müssen, dass (i) das Glücksspielgesetz nicht anwendbar ist, weil (ii) ein Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit vorliegt und (iii) dass ihnen die Berechtigung Online-Roulette in Österreich zu veranstalten zukommt.

Dass beide beklagten Unternehmen über maltesische Glücksspiellizenzen verfügen, hat keine rechtlichen Auswirkungen, weil nach dem Unionsrecht keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur gegenseitigen Anerkennung von auf dem Glücksspielsektor erteilten Erlaubnissen besteht. Das Berufungsgericht sah den Zweck des österreichischen Glücksspielmonopols im Jugend- und Spielerschutz und, dass mit dem Glücksspiel einhergehende Gefahren wie Spielsucht und Kriminalität hintangehalten werden. Das Argument der beklagten Online-Anbieter, wonach der österreichische Konzessionär eine unkontrollierte Expansionspolitik in Bezug auf Roulette verfolge, die den Zielen des Glücksspielgesetzes widerspreche, konnte das Berufungsgericht nicht überzeugen.

4.            Der OGH stellt in der vorliegenden Entscheidung zunächst die innerstaatliche Rechtslage im Glücksspielbereich dar und setzt sich dann intensiv mit der einschlägigen Judikatur des EuGH auseinander. Spiele, die im Sinn des § 1 Abs 1 GSpG und des § 168 StGB vom Zufall abhängen, und für die keine Konzession erteilt wurde, sind verbotene Spiele, die ungültig sind (§ 879 ABGB – Sittenwidrigkeit; OGH 6 Ob 118/12i). Roulette (auch Online-Roulette) ist ein Glücksspiel iSd § 1 Abs 2 GSpG und daher nur zulässig, wenn es im Rahmen einer Konzession nach dem Glücksspielgesetz durchgeführt wird. Die beklagten Online-Glücksspielanbieter verfügen über keine österreichische Konzession zur Veranstaltung der von ihnen angebotenen Spiele.

5.            Der OGH stellt in weiterer Folge die Rechtsansicht des EuGH in Bezug auf Monopolregelungen im Glücksspielbereich dar, die hier nur in ihren Kernaussagen wiedergegeben werden:

Jede von einer nationalen Rechtsordnung auferlegte Beschränkung ist zu prüfen, ob sie geeignet ist, die vom Mitgliedstaat geltend gemachten Ziele zu gewährleisten und verhältnismäßig ist. Auch eine expansive Politik kann dazu geeignet sein, das Glücksspiel in kontrollierbare Bahnen zu lenken. Zur Erreichung dieses Ziels kann es erforderlich sein, dass zugelassene Betreiber eine attraktive Alternative zum illegalen Glücksspiel bereitstellen, dass mit einem breiten Angebot und einem gewissen Werbeumfang verbunden ist (EuGH 6.3.2007, RS Placanica, C-338/04). Der Glücksspielsektor ist nicht europarechtlich harmonisiert, das heißt ein Mitgliedstaat muss Konzessionen von anderen Mitgliedstaaten nicht anerkennen, weil dies keine Garantie für den Schutz der nationalen Verbraucher darstellt. Von Glücksspielen im Internet gehen wegen des fehlenden unmittelbaren Kontakts zwischen Verbraucher und Anbieter größere Gefahren aus, weshalb das Ziel der Kriminalitätsbekämpfung ein Monopol rechtfertigen kann (EuGH 08.03.2009, RS Liga Portuguesa, C-42/07). Das Ziel, Verbraucher vor Spielsucht zu schützen, ist nur schwer mit einer Politik der Expansion von Glücksspielen vereinbar. Eine expansionistische Geschäftspolitik ist nur dann kohärent und zulässig, wenn die illegalen Tätigkeiten einen erheblichen Umfang aufweisen und die Maßnahmen darauf abzielen, die Spiellust der Verbraucher in rechtmäßige Bahnen zu lenken (EuGH 03.06.2010, RS Ladbrokes, C-258/08). Werbemaßnahmen eines Monopolinhabers müssen auf das begrenzt bleiben, was erforderlich ist, um die Verbraucher zum legalen Angebot hinzulenken und von rechtswidrigen Zugangskanälen wegzuführen (EuGH 08.09.2010, RS Stoß, C-316/07). Glücksspiele im Internet bergen andere und größere Gefahren für den Schutz der Verbraucher, insbesondere von Jugendlichen und Spielsüchtigen, durch den fehlenden unmittelbaren Kontakt, den leichten und ständigen Zugang, die potentiell größere Menge und Häufigkeit des Angebotes sowie ein Umfeld, das durch Isolation des Spielers, Anonymität und fehlende soziale Kontrolle geprägt ist (EuGH 08.09.2010, RS Carmen Media, C-46/08). Staatliche Kontrollen der Tätigkeit des Monopolisten müssen gewährleisten, dass der Monopolist tatsächlich in der Lage ist, die mit dem Monopol angestrebten Ziele (wie Jugendschutz, Spielerschutz, Kriminalitätsbekämpfung ua.) mit seinem Angebot in kohärenter und systematischer Weise zu verfolgen. Von Konzessionären durchgeführte Werbung muss maßvoll und eng auf das Erforderliche begrenzt werden, um Verbraucher zu den kontrollierten Spielernetzwerken zu lenken (EuGH 15.09.2011, RS Dickinger/Ömer, C-347/09).

6.            Zur europarechtlichen Zulässigkeit des österreichischen Monopols hat der OGH festgehalten, dass es als besonders gravierender Eingriff in die europarechtliche Dienstleistungsfreiheit zu qualifizieren ist und strengen Voraussetzungen unterliegt. Diese Vorgaben betreffen die Modalitäten der Vergabe der Konzessionen, das Verhalten der Konzessionäre selbst und die Überwachung der Konzessionäre durch die nationalen Behörden. Sind diese Vorgaben nicht erfüllt, wäre das österreichische Glücksspielmonopol unionsrechtswidrig und die Monopolvorschriften wären aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts unanwendbar.

7.            Der spielsüchtige Kläger stützte seinen Ersatzanspruch nur auf das innerstaatliche Verbot von Glücksspielen in „politischen Gesetzen“ (§ 1272 ABGB). Das konkrete Verbot ergibt sich aus dem GSpG und seiner Monopolregelungen. Sind diese Bestimmungen wegen Verstoß gegen das EU-Recht unanwendbar, dann würde kein innerstaatliches Verbot von Glücksspielen mehr bestehen.

8.            Die Frage, ob bei Wegfall des Verbots der Kläger seinen Ersatzanspruch darauf stützen  könnte, dass die Beklagten in Österreich trotzdem Spielerschutzvorschriften einhalten müssten, hat der OGH offen gelassen, weil der Kläger dieses Argument nicht vorgebracht hat.

9.            Der OGH hat die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und notwendige Ergänzungen des Verfahrens aufgezeigt. Die Feststellungen des Erstgerichts zur Ausübung des Monopols durch den Konzessionär, wonach dessen Werbeausgaben „enorm“ sind und Werbeaktionen zum Muttertag und mit „Damentagen“ erfolgen, sind nicht ausreichend. Der OGH sieht darin zwar Indizien dafür, dass diese Werbung nicht nur die Spieler zu gesetzlich erlaubten Glücksspielen umleitet, wie dies vom EuGH gefordert wird. Im Verfahren wurden aber keine näheren und präziseren Feststellungen zu den Vorgaben des EuGH, insbesondere in der einschlägigen Entscheidung Dickinger/Ömer (EuGH 15.09.2011, C-347/09) getroffen. Ohne genauere Feststellungen kann eine allfällige Unvereinbarkeit des österreichischen Glücksspielmonopols mit den vom EuGH entwickelten Kriterien zur erlaubten Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit in diesem Bereich nicht verlässlich beurteilt werden, weshalb das Verfahren in erster Instanz neu verhandelt werden muss.

10.          Im fortgesetzten Verfahren ist nicht jede Werbemaßnahme einzeln oder nach Bereichen (zB „Werbung für Online-Roulette“) zu beurteilen, sondern die Gesamtheit der Werbemaßnahmen des Konzessionärs maßgeblich. Die Beweislast in Bezug auf diese Frage richtet sich nach der allgemeinen Regel des Zivilprozessrechts, dass jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu beweisen hat (RIS-Justiz RS0037797).

 

 

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